Eider V

7. November 2017 Axel Allgemein

Es war die fünfte Eider Exkursion des altehrwürdigen ‚Verein zur Pflege der Natur- und Landeskunde in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg Die Heimat, gegr. 1890‘. Ein etwas sperriger Name, aber was dahinter steckt, ist alles andere als verstaubt.
Wenige Blicke in die von Verein herausgegebene Zeitschrift ‚Natur- und Landeskunde‘ reichen um zu erkennen, dass hier auch wissenschaftlichen Ansprüchen entsprochen wird.

Die fünfte Eider Exkursion wurde wieder von Prof. Wolfgang Riedel geleitet. Um es vorweg zu nehmen: Auch Dank ihm fällt es Menschen außerhalb des Vereins leicht mit einer Reihe von Fachleuten mit einem ungeheurem Erfahrungsschatz ins Gespräch zu kommen.

Von Rendsburg aus mit dem Bus startend ging es über Fockbek schnell durch eine Altmoränenlandschaft mit sie umgebenden Sandern. Vorbei am auch schon mit den Spaziergängen in der Region erlebten Hohner See werden mit Christians- und Friedrichsholm die ersten Höhepunkte erreicht. Schnell zeigten sich auch die Schattenseite des gesellschaftlichen Wandels: Sterbende landwirtschaftliche Betriebe, leerstehende Wohnhäuser, verödende Dörfer…

Der Geestrücken bei Erfte präsentiert dann das dichteste Knicknetz Schleswig-Holsteins. Das Strukturwandel sehr wohl von den Menschen vor Ort wahrgenommen wird, zeigt der bevorstehende Zusammenschluss der Dörfer Norderstapel und Süderstapel. Die angrenzende Gemeinde Seeth wurde vielen durch das ‚Flüchtlingsauffanglager‘ bekannt. Doch auch dies ist Geschichte… Nun wartet man im absoluten Nix auf nen privaten Investor… Was für ein Wahn…Sinn!

Aber: Allein bisher war die Exkursion ein Augenschmaus in Sachen Geest und Marsch. Das satte Grün ist auch im November Balsam für die Seele.

Friedrichstadt wäre schon eine alleinige Exkursion wert. Der Ansatz vom gottorfschen Herzog Friedrich III. hier 1621 Religionstoleranz zum Wohl des Handels zu etablieren, kann gerade in den heutigen Zeiten nicht hoch genug geschätzt werden.
So haben schließlich schon eine Unzahl von Menschen den Begriff ‚Mennoniten‘ gehört. Ob sie diesen jedoch als protestantische Bewegung der Reformationszeit – wir hatten gerade vor fünf Tagen sonnen 500. gefeiert… – einordnen können, sei mal dahin gestellt…

Koldenbüttel. Die östlichste Gemeinde Eiderstedts. Schlappe 1000 Bürger, davon fast zwei Drittel zur evangelischen Gemeinde gehörend. Beeindruckend ist auch die Kirche St. Leonhard allemal. Sie verweist darauf dass die Reformation in dieser Gegend recht sanft von statten gegangen ist. In der Kirche, die übrigens von Pfingsten bis Erntedank alle offen steht, faszinierte mich ein kleines Teilgemälde, das vermutlich aus einem alten Gestühl stammt. Auffällig ist hier dass der irdische Mensch den Engel (nahezu) an einer Schnur hält. Der Engel wird hier übrigens mit Stab und Proviantbeutel dargestellt. Leider hab ich nur bescheidene Erfahrungen mit der Interpretation von kirchlichen Bildern. (Die zahlreichen Teilbetrachtungen der Sixtinischen Madonna machen Einen noch nich zum Kunstexperten 😉 ) Auch hier war es sehr angenehm mit gemeinsam Interessierten sich hierzu auszutauschen. DAS ist die Stärke der Exkursionisten; auch hier zeigten sich Lebenserfahrungen und Kompetenzen.
Der hölzerne Glockenturm oder auch Glockenstapel St. Leonhards verweist auf eine sehr lange Geschichte: Das verarbeitete Holz wird auf das (Fäll-) Jahr 1461 datiert. Damit dürfte der Glockenturm Zeugnis einer der vorreformatorischen Zeit sein.

Es ging weiter über den Büttelweg parallel zur B 200. Ein kleiner Weg, der dennoch Zeugnisse vergangener Kulturen offenbart: Hügelwiesen verweisen auf frühere Siedlungsplätze mit warftartigen Hinterlassenschaften. Beindruckend in dieser Marschlandschaft: Schnell wird klar, dass Wasser das alles beherrschende Element ist!

Der Weg führte weiter Richtung Witzwort. Auch wenn wir die sehenswerte Kirche in Oldensworth nicht besuchten, so führte uns ein kurzer Abstecher zum Herrenhaus Hoyerswort.

Was für ein Relikt vergangener Zeiten! Auch wenn wir es nur kurz von außen sahen, zeigte sich allein durch die Architektur dass hier Wohlstand bei Wenigen gewesen ist…

Weiter in Tetenbüll besuchten wir zunächst das Haus Peters. Ein Museum, das einen historischen Kaufmannsladen von 1820 enthält. Eine Reihe von Kleinodien lassen sich in dem Haus gut ansehen: Allein die Zusammenstellung der Reinigungsmittel ist Älteren zu ihrer Freunde ein kleine Reise in ihre Kindheit.
Zu meiner weiteren Freude finde ich hier auch eine kleine Horst Janssen Ausstellung.

Das Cafe im Theatrium bingt selbst mir als nicht gerade großen Tortenliebhaber einiges an Energie zurück. Tolle Torte, nicht zu süß, kleine Schnittchen und natürlich Kaffee… in einem auffallend gemütlichen – aber eben nicht kitschigen – Gruppenraum. Sehr empfehlenswert!

Über Katharinenheerd geht es über die Martje-Flohrs-Straße weiter. Martje Flohrs ist Sinnbild der Fremdbestimmung durch Krieg. Und zugleich ein Apel an Widerstand. Auf den Seiten der Storm Gesellschaft heißt es hier zu :

Als nämlich Tönningen im Jahre 1700 belagert ward, hatte eine Gesellschaft von feindlichen Offizieren auf einem Hofe in Cathrinenheerd (er ist erst vor einigen Jahren eingegangen) Quartier genommen und wirtschafteten nun da arg. Sie ließen Wein auftragen, setzten sich an den Tisch und zechten und lärmten, ohne auf die Hausleute viel zu achten, als wären sie selber die Herren. Martje Floris, die kleine zehnjährige Tochter vom Hause, stand dabei und sah mit Unwillen und Bedauern dem Treiben zu, weil sie der Trübsal ihrer Eltern gedachte, die ein solches Leben in ihrem Hause dulden mußten. Da forderte endlich einer der übermütigen Gäste das Mädchen auf, heranzukommen und auch einmal eine Gesundheit auszubringen. Was tat nun Martje Floris? Sie nahm das Glas und sprach: It gah uns wol up unse ole Dage. Und von der Zeit an trennt sich in Eiderstedt selten Gast und Wirt, ohne des Mädchens und ihres Trinkspruchs zu gedenken, und jeder versteht’s, wenn es heißt: »Martje Floris Gesundheit.«

Einen krönenden Abschluss unserer Eider Tour bildet das Sperrwerk. Ein gigantischen Bauwerk das im Verbund mit einer eingedeichten Küstenlinie Fluten und Sturmfluten trotzt. Tönning und auch Rendsburg gelten seit der Fertigstellung 1973 als sturmflutsicher.

Ich frage mich allerdings wie wir heute fast 50 Jahre später ein solches Projekt angehen würden. Der Klimawandel mach diese Frage lokal auch aktueller denn je.

Die Dämmerung setzte in zwischen ein und so blieb uns ein tieferer Blick in diese Diskussion und die imposanten Naturareale des Katinger Watts versperrt. Nur gut dass ich zu vor schon mehrmals hier gewesen bin – und auch heute nicht das letzte Mal gewesen bin.

Die Rückfahrt nach Rendsburg wurde durch angenehme Gespräche und weiterer Impulse von Wolfgang Riedel geprägt. Erfreulicherweise ließen sich zum Abschluss der Exkursion noch ein Reihe von Gründen aufzählen, warum dies nicht die letzte Eider Exkursion gewesen kann…

Der ‚Landeskunde‘, Wolfgang Riedel und Hildegard Rienow sowie allen mit Exkursierenden einen herzlichen Dank für ein tolle Tour! Mir fallen viele Menschen ein, die für sie sofort zu begeistern wären. Aber es gibt auch bei der ‚Landeskunde‘ und den Spaziergängen in der Region Flensburg eine Übereinstimmung: Nicht die Masse machte es; es geht um das Erleben, Genießen und Entdecken…

P.S.:
Achja… Mal nebenbei… in Sachen Ökologie und Ökonomie und der zu Recht oft gescholtenen Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein GmbH: Da ich kurzfristig keine Mitfahrgelegenheit nach Rendsburg gefunden hatte, nutzte ich Bus und Bahn(card). Für den Preis hätte ich auch mit meinem mehr als 16 jährigen Verbrennungsmotorgerät nicht günstiger fahren können.
Alles war pünktlich, Anschlussverbindungen waren kein Problem. Während der Bahnhinfahrt habe ich meine eigene Exkursion am Folgetag vorbereitet, auf der Rückfahrt konnte ich entspannen, die inneren Bilder des Erlebten genießen… 🙂

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